Konsumklima in der Zeitenwende
Ausgangslage und Idee
Seit mehr als zwei Jahren ist unsere „Normalität“ mit der Corona-Pandemie aus den Fugen geraten. Unser Konsumverhalten wurde nachhaltig beeinflusst, bestimmte Produktbereiche und die Investitionen in selbige haben stark zu-, andere abgenommen. Mit avisierten Lockerungen schien die gewohnte Normalität wieder greifbar nah – bis mit dem Krieg in der Ukraine und dessen wirtschaftlichen Folgen neue Katastrophen über uns hereinbrachen.
Insbesondere die Energiepreise, die bereits seit Mitte 2021 stark stiegen, erklimmen in 2022 systemgefährdende Höhen. Die Inflation ist nicht mehr zu leugnen und Rationierungen werden Realität. Die Krisen- und Destabilisierungserfahrungen der letzten zweieinhalb Jahre intensivieren sich weiter.
Gleichzeitig bietet jede Krise auch Chancen, regt zum Umdenken an und beschleunigt Entwicklungen in bestimmten Bereichen. Inwieweit beeinflussen uns diese Entwicklungen und führen perspektivisch zu einem Umdenken? Welche Unternehmen und Trends profitieren von der Krise oder können sich zumindest über relativ schwache Auswirkungen freuen?
Wir wollten genauer hinschauen und verstehen, was die neuen Krisen mit uns und unserem Selbstverständnis machen und in welche Richtung wir uns dadurch bewegen.
InnerSense und NORDLIGHT research ermitteln in der Gemeinschaftsstudie „Konsumklima in der Zeitenwende“, wie sich die neuen Krisen – in Kombination mit der andauernden Corona-Krise – auf unser aktuelles und zukünftiges Konsumverhalten auswirken.
Hierzu führten wir zwei Fokusgruppen, 20 Tiefeninterviews und über 2.000 Online-Interviews durch. Die tiefenpsychologischen Erkenntnisse wurden quantifiziert, für verschiedene Branchen differenziert und übergreifende Empfehlungen für Unternehmen abgeleitet. Die von Mai bis August 2022 gewonnenen Ergebnisse liefern einen guten Überblick darüber, worauf sich Marketing, Vertrieb und Produktentwicklung in Zukunft einstellen und wie sie den sich anbahnenden Entwicklungen begegnen können.
Schauen Sie sich auch gern unser Studienangebot (pdf) an.
Einfluss der Krisen auf unser Selbstverständnis
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher leben das Motto „bloß nicht jammern“. Sie haben nach der langen Corona-Zeit viel Lebenshunger und Zweckoptimismus. Allerdings werden die negativen Nachrichten nur von wenigen ignoriert (11 %) und durch Nachrichten und erlebte Preissteigerungen nehmen Ängste und Sorgen immer mehr zu. Das führt zu starkem Selbstbezug, die Welt ist gefühlt kleiner geworden und man will primär mit seinen Liebsten gut durchkommen. Im Vergleich zu früher stellen 50 % für sich fest, dass sie heute mehr auf engen Kontakt zu Familie und Freunden achten.
Es entwickeln sich verschiedene Umgangsformen für Krisen und daraus wiederum unterschiedliche Typen: Noch vor wenigen Jahren nicht selten belächelt, erleben die Prepper aktuell ihre Bestätigung. 12 % der Bevölkerung erfüllen die Kernmerkmale dieses Typus und bereiten sich auf Versorgungsengpässe vor, damit sie selbst und vor allem ihre Familien besser durchkommen. Dieses „Mainstream-Prepping“ ist nicht mit einem Rückzug in den Bunker zu verwechseln. Es ist das für viele Länder übliche Vorsorgen mit einer Bevorratung von Wasser, Lebensmitteln oder Medikamenten sowie manchmal auch die Notstromversorgung, die diese vorbeugender Prepper auszeichnen.
Eine andere Umgangsform, die optimistischer und progressiver anmutet, ist die der „mutigen Neuentwicklung“. Wenn das Altgewohnte nicht mehr funktioniert oder verfügbar ist, entwickelt man sich nach vorne. Besonders die erfinderischen Visionäre zeichnen sich hierdurch aus. Sie sind zwar nur eine kleine Gruppe in Deutschland, sind aber als Early Adopter und auch in Krisen als Konsumstarke interessant. Sie können die Trends von morgen jetzt schon starten und für andere aufzeigen.
Vier weitere Typen unterscheiden sich in Stimmung, Kaufkraft und vor allem Motiven wie z.B. bewusster Selbstpflege oder begrenzende Disziplinierung. So mag der eine sich als Opfer der Umstände fühlen und ins Passive gleiten, während der andere Freude am Sparen entwickelt und aktiv wird.
Versteht man die unterschiedlichen Umgangsformen und Typen, lassen sich Produkte und Kommunikation zielgruppengerecht auch in der Krise entwickeln. In der Studie werden die Umgangsformen und Typen ausführlich vorgestellt.
Konsumlaune & Ängste
Die Top 3-Ängste der Deutschen haben wir in dieser Studie als Inflation, Heizmittelknappheit und negative Folgen des Klimawandels identifiziert. Diese Szenarien ängstigen viele stärker und werden gleichzeitig als wahrscheinlich für die Zukunft eingeschätzt. Sie führen zu Verhaltensveränderungen, so sie nicht lähmen.
Hingegen werden Krieg im eigenen Land, Einschränkung der Meinungsfreiheit oder Arbeitsplatzverlust als wesentlich weniger bedrohlich erlebt. Wo sich Themen wie Altersarmut, Corona, gesundheitliche Versorgung oder Blackouts einsortieren, zeigt die Studie auf; in Summe wurden 22 Bedrohungsszenarien betrachtet. Diese beeinflussen den Konsum entweder direkt durch Kaufkraftveränderungen oder indirekt durch Veränderungen der Präferenzen.
Konsumverhalten in spezifischen Branchen
Noch Ende 2021 klassifizierten Zentralbanken die Inflation als „transitory“, also „zeitlich vorrübergehend“. Das mag niemand mehr glauben und 84 % halten eine (weitere) Inflation in den kommenden 12 Monaten für wahrscheinlich; 46 % gehen davon aus, zukünftig 10 % bis 20 % weniger Geld zur Verfügung zu haben. Dies führt dazu, dass sich fast die Hälfte in den kommenden Monaten einschränken will. Nur jeder Vierte mag sich richtig etwas gönnen.
Entsprechend spüren viele Unternehmen bereits jetzt Umsatzrückgänge im Privatkundengeschäft und müssen sich – sobald die Energiekosten und vermutlich auch eine Rezession mit Einkommenseinbußen die Kaufkraft deutlich schmälern – auf weitere Einbußen einstellen.
Aktuell fühlen sich viele hin- und hergerissen zwischen den konterkarierenden Motiven, sich nach der langen Coronaphase einerseits wieder mehr gönnen zu wollen und andererseits jetzt vernünftig sein zu wollen und sich einzuschränken. Einerseits will man sich nach der langen Coronaphase, in der auf vieles verzichtet werden musste, wieder mehr gönnen und das Leben wieder mehr genießen. Andererseits will man, aufgrund steigender Preise und einer ungewissen Zukunft, jetzt vernünftig sein und sich eher einschränken. Dabei ist der Großteil der Typen aktuell eher sparsam und clever-bedacht unterwegs und die Absicherung der Zukunft ist ein starkes Motiv. Angesichts der neuen Sparsamkeit und weiterer identifizierter Trends werden auch Marken noch einmal ganz anders bewertet und vor neue Herausforderungen gestellt.
42 % macht es keinen Spaß sich einzuschränken und 49 % würden sich nicht einschränken, wenn sie nicht müssten. 38 % finden hingegen, dass eine Konsumreduktion ihrer körperlichen oder seelischen Gesundheit guttut und 55 % sehen die Konsumreduktion als positiv für die Umwelt. Diese unterschiedlichen Sichtweisen sind vom Typus abhängig, aber auch vom Konsumniveau, von dem aus Konsum reduziert wird.
In der Studie untersuchen wir die Priorisierungen der Ausgaben der Konsumenten und Konsumentinnen; sowohl im Positiven als auch im Negativen. Wo würde gespart? Wo würde man zusätzliches Geld ausgeben?
Versicherungen und Banken können sich im Vergleich zu vielen anderen Branchen freuen, da sie eine der ersten Anlaufstellen für zusätzliches Geld sind, aber bei ihnen in der Krise der Rotstift nur relativ selten angesetzt wird. Auch zeigt die Studie, dass zusätzliches Einkommen bei nennenswerten Zahlen von Deutschen nicht in Konsum, sondern in Anlage- und Sparprodukte fließen würde. Ein Phänomen, das sich bereits in den USA gut beobachten ließ, als es während der Pandemie Stimulus-Schecks für alle gab.
Wenig überraschend, müssen sich erneut die schon durch Lockdowns gebeutelten Branchen Tourismus sowie Restaurants, Cafés und Eventanbieter sorgen. Aber auch bei digitalen Abonnements wie Netflix und Co. oder dem nächsten Smartphone wird voraussichtlich gespart.
Kostensteigerungen bei Lebensmitteln sind zeitnah und stark spürbar. Gleichzeitig sieht man aber auch die Effekte von Einsparungen unmittelbar und kann die Kosten gut beeinflussen. Je nach Typus werden – teils auch in Kombination – pfiffige Strategien entwickelt, um clevere Deals zu machen. Oder man übt bewussten Verzicht und bevorratet, wenn es Angebote gibt. So wollen 65 % in den kommenden Monaten mehr auf Sonderangebote achten und Angebotsprodukte kaufen.
In der Studie finden sich auch aktuelle Zahlen zu Einkaufsstätten und Präferenzen sowie geplanten Verlagerungen wie beispielsweise von (Premium-) Marken zu Eigenmarken oder Supermärkten zu Discountern.
Ein gepflegtes Äußeres ist zahlreichen wichtig nach der Isolation durch Corona. Die Lockdowns haben dazu geführt, dass mehr selbst die Hand beim Thema „Beauty“ anlegen wird als früher (30 %). Aktuell legen 26 % besonderen Wert auf ein gepflegtes Äußeres und geben hierfür gerne auch mehr Geld aus.
In Sachen Energie geht es derzeit „drunter und drüber“. Ein Teil der Deutschen gibt viel Geld aus – oder würde es zumindest gerne, wenn da nicht die Liefer- und Installationsengpässe wären –, um Energiekosten zu reduzieren oder autarker zu werden. So steigt das Interesse an E-Mobility und Photovoltaik mit Speichermöglichkeiten an. Gleichzeitig wissen viele nicht mehr, wie sie Heiz- und teilweise auch Stromkosten noch bezahlen sollen. Die Kündigungs- und Insolvenzwelle bei den Discountern hat viele Kunden in deutlich teurere Verträge befördert (siehe hierzu auch Vertriebskanalstudie Energie 2022) und auch die Preisanpassungen für langjährig treue Kunden sind massiv.
13 % würden schon jetzt gerne ihren Strom- oder Gas-Vertrag ändern, in aller Regel um Kosten zu sparen. Fraglich dürfte indes sein, ob dies in der Praxis aufgrund der aktuellen Situation gelingt. Beim Heizen zuhause möchte die Hälfte nicht sparen und 54 % sagen derzeit, dass ihnen eine gesicherte Stromversorgung wichtiger sei, als die Energiewende.
Leicht entspannen können sich zumindest Infrastrukturanbieter in der Telekommunikation. So ist in unserer digitalisierten Gesellschaft das Internet mittlerweile fast so wichtig wie Grundnahrungsmittel – zumindest was das Sparen im Falle einer Einkommensreduktion in Höhe von bis zu 20 % betrifft.
Die Spar- und Zusatzkonsumeinstellungen werden differenziert für soziodemografische und psychografische Gruppen analysiert.
Branchenschwerpunkte
Für folgende Branchen finden Sie eigene Kapitel, die sich mit Konsumenteneinstellungen, Präferenzen oder auch geplanten Vertragsveränderungen beschäftigen:
- Lebensmittel
- Genussmittel
- Kosmetik & Körperpflege
- Gesundheit
- Mode & Bekleidung
- Automobil
- Finanzen & Versicherungen
- Energie (Strom & Gas)
- Telekommunikation & digitale Dienste
Studienformat
Viel, viel mehr finden Sie auf den über 270 Seiten der Studie mit tiefenpsychologischen Analysen und Zahlen zu Einstellungen und Verhalten beim Konsum in unterschiedlichen Branchen. Ergänzend erhalten Sie den Tabellenband im Excel-Format zu den quantitativen Ergebnissen. So gewinnen Sie einen Überblick und können Entwicklungen in Ihrer Branche antizipieren und einordnen.
Sie können die Studie direkt in unserem Trendmonitor Deutschland Online-Shop bestellen, über Ihren persönlichen Ansprechpartner bei den zwei herausgebenden Unternehmen oder über info@nordlight-research.com sowie info@innersense-research.com.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie noch Fragen zur Studie oder zu ergänzender Individual-Marktforschung haben!